Alles auf eine Karte – oder eben nicht – Teil 2

Freunde, schön das ihr wieder da seid! Herzlich willkommen zurück.

In der letzten Woche hatte ich ja darüber geschrieben, wie uns unsere Eltern in jungen Jahren bei der Berufswahl unterstützt haben (und es vielleicht auch heute noch tun), welche Kriterien ein “guter” Job erfüllt und wie uns unsere Erfahrungen, unter anderem das Zusammenleben mit unseren Eltern, nachhaltig prägen. Falls ihr das verpasst habt oder noch einmal nachlesen wollt (finde ich gut 👍), klickt bitte hier zum ersten Teil dieses Posts. In diesem Teil schreibe ich nun darüber, was ich glaube, wie mich meine Erziehung und die in der Kindheit gewonnen Erfahrungen, in meinem Berufswunsch oder besser der Berufsentscheidung beeinflusst haben.

Rappen “oder” Job

Ende der Neunziger fing ich an zu studieren, war aber weiterhin sehr mit Rap aktiv. Anfang der Zweitausender wurde es dann spannend. Ich befasste mich zum ersten Mal mit dem Gedanken, ob ein Job als Rapper, das richtige für mich sein könnte. Um genauer zu sein, ein Job als Rapper oder als “Labelboss”. Zu Beginn hatte ich eher diffuse Vorstellungen davon, wie ich meinen Rap zu einem Punkt bringen würde, an dem er mich finanziert. Je mehr ich mich jedoch mit der Materie beschäftigte, desto klarer wurde mich, dass ich zu dem Zeitpunkt wohl keinen Plattendeal bei einem Label, groß oder klein, bekommen würde. Zur gleichen Zeit formte sich bei meinen Weggefährten und mir langsam der Gedanke ein eigenes Label zu gründen. Denn der für uns logische Gedanke war, dass wir dann alles selbst in der Hand hätten und wir nicht mehr auf die Gunst anderer angewiesen wären. Achja… Gesagt, getan. Wie ihr auch in meiner Bio nachlesen könnt, gründeten wir dann 2003 ganz offiziell das Musiklabel “Takt und Ton”. Mit allem Drumunddran, Labelcode, Gema-Anmeldung, usw. Ich blieb natürlich auch Rapper, nur jetzt eben auf meinem eigenen Label, und versuchte so etwas mit meiner Musik zu erreichen.

Studierender Rapper oder rappender Student?

1999 habe ich angefangen zu studieren. Als wir 2003 das Label gründeten, war ich also schon 4 Jahre dabei und hatte auch dort einiges an Zeit investiert. Mein Herz lag bei Rap, meine Vernunft sagte: „aber Studium auch”. Aus einem starken Sicherheitsbedürfnis, stand es für mich zu keinem Zeitpunk richtig zur Debatte das Studium abzubrechen und mich ganz auf das Rappen oder später auf mein Label zu konzentrieren. Auch wenn das nicht alle meine Labelkollegen verstanden oder guthießen, wurde es aber doch akzeptiert. Wahrscheinlich auch deswegen, weil auch keiner der anderen einfach den Job komplett hinschmiss um zu sagen: “Jetzt, gehe ich all in!” So blieb ich also der studiernde Rapper und Labelboss. Übrigens ganz wichtig! Ich war „studierender Rapper“ und nicht „rappender Student“. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht und mit letzteren wollte ich damals nichts zu tun haben.

Die Frage ist nun, warum habe ich nie diesen Stepp gemacht? Warum war es für mich keine Option nicht zu studieren oder mein Studium abzubrechen. Und das lag nicht daran, dass ich von meiner Musik und dem Können als Rapper nicht überzeugt war – ganz im Gegenteil. Die Frage die sich mir immer gestellt hat und die ich nicht losgeworden bin, lautete: “Und was mache ich wenn es nicht klappt!” Gefolgt von dieser Gedankenkette: Rappen hat nicht geklappt, aber Zeit gekostet – Studium hast du abgebrochen (und bist dann zu alt um es wieder aufzunehmen) – was soll ich dann beruflich machen, „wer will schon so jemanden einstellen?” – „ich bin gezwungen mich den Rest meines Lebens mit Hilfsjobs über Wasser zu halten..” Ganz schlimm, wenn ich mir das heute noch mal durch den Kopf gehen lasse. Ein gutes Beispiel dafür, dass ich damals noch nicht den richtigen Mindset hatte. Denn diese Gedankenkette ist natürlich Blödsinn und nichts anderes als hinderlich. Diese “Glas-halbvoll” Mentalität ist ein schlechtes “Programm”, das da im Kopf läuft und ist weder hilfreich wenn man ernsthaft ein Business leiten will (nichts anderes ist ein Musiklabel), noch der richtige Beweggrund ein Studium fortzuführen (oder auch nur aufzunehmen).

„Die Gedanken sind frei“, aber ängstlich

Woher kamen nun diese Gedanken und diese Zweifel? Warum habe ich mich selbst davon abgehalten „all in“ zu gehen und alles auf eine Karte zu setzen? Mit der Frage komme ich zurück auf die Prägung durch unserer Eltern und deren bewussten und unbewussten Glaubenssätzen. Von Kindesalter an wurde ich in einem starken Sicherheitsbedürfnis erzogen. Immer schön vorsichtig sein, nicht zu viel riskieren, denn das könnte ja Geld kosten. Studium und ein “guter” Job wurden mir als der richtige Weg beigebracht. Und dieses “Programm“, war tief in mir verankert und lief im Hintergrund immer mit. Damals habe ich das auch gar nicht hinterfragt. Mir war bewusst, dass ich diesen Zwiespalt erlebte, aber ich habe nie bis zu Ende durchdacht, ob er eigentlich sein muss. Zumindest für die damalige Zeit war das der Grund warum ich nicht alles auf eine Karte gesetzt hatte.

Aber wie ist es heute? Heute fasse ich mein Leben mit dem Wort “Grinden” zusammen und fahre immer noch oder wieder zweigleisig. Sind es heute noch die gleichen Beweggründe die mich dazu veranlassen mich nicht ganz auf nur eine Sache zu konzentrieren? Ja und nein. Mit dem Alter wird man gelassener und schätzt Dinge realistischer ein. Deshalb würde ich sagen, ist die diffuse unreflektierte Angst meines zwanzigjährigen Ichs, einer pragmatisch und rationalen Einschätzung der Gesamtlage gewichen. Diese sagt mir, jetzt aus allem auszubrechen und mich nur auf die Musik zu konzentrieren wäre möglich, aber nicht ratsam. Mit dem Lebensstandard (der “Wohlfühlfalle”) und der Verantwortung die man ab einem gewissen Punkt in seinem Leben erreicht, ist der Cut dann noch drastischer als mit Anfang zwanzig. Die Erfolgschancen hingegen sind, na sagen wir zumindest nicht größer geworden (auch wenn die Kanäle und Tools die man heute nutzen kann einen Erfolg eher möglich machen.

Im Zweifelsfall einfach grinden

Als ich mich also vor ca. zwei Jahren dazu entschied, mich wieder mehr auf die Musik zu konzentrieren und ernsthafter damit zu befassen (und grade angesprochene Kanäle und Tools zu nutzen), entschied ich mich für mein neues Lebensmodell. Ich grinde (was ich genau damit meine könnt ihr hier noch einmal nachlesen). Es war die bewusste Entscheidung Vernunft mit Passion zu paaren. Also, den Lebensstandard aufrecht zu erhalten (und seine Vorzüge sogar für meine Musik zu nutzen) und durch Organisation, Koordination und Kraft, trotzdem aktiv Musik zu betreiben. Diese Regelung ist aber nur ehrlich und hilfreich, wenn es nicht mein ausgesprochenes Ziel ist ein Star zu werden und von der Musik leben zu können. Wenn das der Fall wäre, müsste ich mir die Frage zu recht gefallen lassen, ob ich mit dieser Lebensweise nicht einfach wiederhole, was ich schon einmal gemacht habe. Und ob die Erfolgschancen wiederum nicht höher werden, wenn ich mich nur auf die Musik konzentrieren würde. Ja, das könnte man dann diskutieren, ist ja aber nicht der Fall 😉

Programmupdate

Zu guter Letzt, will ich noch ganz ehrlich sein. Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass alles was ich hier schreibe wahr ist, gilt das natürlich nur soweit, wie es mir bewusst ist. Ob nicht tief in mir immer noch die Glaubenssätze meiner Eltern wirken und das gleiche Programm abläuft, kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Falls sich unter euch irgendwelche Psychotherapeuten befinden, schreibt mich gerne an! Wäre an einer professionellen Meinung diesbezüglich interessiert. Vielleicht ist es ja auch eine geupdatete Version der Software. So oder so, diesmal fühlt es sich besser an. Nicht so zerrissen wie damals. Und wo es damals Energie gezogen und Nerven gekostet hat, erfüllt es mich heute mit Energie, gibt mir Struktur und füllt mich aus. Das Leben ist toll…

Zugegeben, etwas länger geworden der Post. Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen und würde mich wie immer über euer Feedback freuen. Schreibt mir!

Peace,
Jago

jagomatik

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